Einleitung

Die schnelle, verlustfreie Übertragung von Daten über lange Distanzen mittels Glasfaserkabel ist für unsere zunehmend digitale und vernetzte Gesellschaft essentiell. Durch den seit 2019 stattfindenden weltweiten Auf- und Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards, den zunehmenden Intradatenverkehr innerhalb von Datenzentren sowie den Datenverkehr zwischen verschiedenen Datenzentren steigt der zukünftige Bedarf an Glasfaserkabeln weiter an. Visionen vom autonomen Fahren, von Vitalfunktionen überwachenden IoT-Medizingeräten oder von Smart Cities mit einem automatischen Verkehrsmanagement sind nur realisierbar durch den Aufbau einer Infrastruktur mit flächendeckenden Glasfasernetzen. Denn diese ermöglichen eine extrem hohe Bandbreite und einen permanent zunehmenden Intradatenverkehr – dauerhaft und in Echtzeit.[1] Um die optimale Glasfaserqualität sicherzustellen, wird eine Vielzahl an Mess- und Regeltechnologien schon im Ziehprozess an verschiedenen Produktionsstufen eingesetzt. Einen bedeutenden Einfluss auf die Glasfaserqualität hat hierbei die Zugkraft, welche auf die ungecoatete Faser wirkt. Die SIKORA AG hat einen Stand-alone-Messkopf entwickelt mit einer Messrate von bis zu 10 kHz. Damit misst er die Zugkraft schnell und höchstpräzise und ist dadurch vor allem für Glasfasern bestimmt, die zu Premium-Glasfaserkabeln weiterverarbeitet werden, für welche spezifische Anforderungen und Standards existieren. Ein Messkopf mit einer solch hohen Messrate eignet sich vor allem für schnelle Regelkreise.

Der Stand-alone-Messkopf misst die Zugkraft von Glasfasern im Ziehturm.

Anforderungen bei der Herstellung von Glasfasern und Glasfaserkabeln

Im Zuge der rapide steigenden weltweiten Vernetzung werden sowohl an Singlemode- als auch Multimodeglasfasern ständig steigende Ansprüche hinsichtlich ihrer relevanten Parameter gestellt. Folglich werden Dämpfung, Verlust und Cut-Off-Frequenz als auch die geometrischen Maße immer enger toleriert. Hierbei müssen Glasfaserhersteller die jeweiligen Glasfaserspezifikationen für die Zielanwendung berücksichtigen. Nur so erhalten sie passgenaue Produkte, welche die garantierte Langlebigkeit tatsächlich einhalten. Vor diesem Hintergrund ist eine kontinuierliche online Qualitätskontrolle während des gesamten Ziehprozesses unerlässlich.

In den verschiedenen Produktionsstufen messen, überwachen und regeln Messköpfe und Prozessorsysteme den gesamten Ziehprozess, um die Glasfaserqualität zu sichern und die Effizienz der Produktion zu erhöhen. Glasfaserhersteller verfolgen hierbei das Ziel, möglichst viele Größen im Ziehprozess zu regeln, damit die produzierte Faser eine Güte mit hoher Spezifikation bei gleichzeitig minimaler Ausschussproduktion besitzt.

Beispielsweise wird der Durchmesser der Faser über die Abzugsgeschwindigkeit geregelt. Da im Ziehprozess alle Parameter miteinander verknüpft sind, müssen bei der Regelung eines Parameters die davon beeinflussten Größen ebenfalls überwacht werden. So sinkt etwa bei steigender Preformtemperatur die Viskosität des Glases. Bleiben Abzugsgeschwindigkeiten und Zugkraft gleich, sinkt in der Folge der Durchmesser und es wird Ausschuss produziert oder die Faser bricht sogar. Daher wird für schnellere Produktionsgeschwingigkeiten bei gleichbleibender Zugkraft die Preformtemperatur erhöht. Hierbei muss die Zugkraft kontrolliert werden, zum einen, um Faserbrüche zu verhindern. Zum anderen garantiert die kontrollierte Zugkraft, dass wichtige Parameter der fertigen Faser, wie zum Beispiel die Cut-Off-Frequenz oder Dämpfungsparameter, optimal im Rahmen der Spezifikationen bleiben.

Innovative Zugkraftmessung basierend auf dem Prinzip der Doppelbrechung

Auf dem Markt gibt es unterschiedliche Verfahren der Zugkraftmessung. Eine Variante ist das klassische Vibrationsmessverfahren, bei dem ein Messkopf eingesetzt wird, welcher sowohl den Durchmesser der Glasfaser als auch die Vibration der Glasfaser im Ziehprozess misst und dadurch die Zugkraft ermittelt. Hierbei wird nicht zwischen der natürlichen Vibration der Faser sowie einer fremdverschuldeten Vibration unterschieden, wodurch bei stärkeren äußeren Umwelteinflüssen Messungenauigkeiten auftreten können. Der Einsatz eines solchen dualen Messsystems bietet sich zum Beispiel an, wenn wenig Platz im Ziehturm die Installation mehrerer Stand-alone-Messköpfe erschwert.

Messprinzip basierend auf dem Prinzip der Doppelbrechung: Aus der Polarisationsänderung des in die Glasfaser einfallenden Lichts relativ zum doppelt gebrochenen austretenden Licht, welches auf die Empfangseinheit trifft, wird die Zugkraft ermittelt.

Die SIKORA AG bietet eine neue Technologie für eine höchstpräzise Zugkraftmessung in einem Stand-alone-System. Diese basiert auf dem Prinzip der Doppelbrechung, welches die richtungsabhängigen lichtbrechenden Eigenschaften von Glas verwendet, die sich ergeben, wenn auf das Glas Kräfte wirken. Eine Lichtquelle sendet polarisiertes Licht, welches die Glasfaser durchläuft. Durch die richtungsabhängigen Brechzahlen findet eine Änderung der ursprünglichen Polarisation statt. Das austretende doppelt gebrochene Licht wird von einer Detektoreinheit empfangen. Diese ermittelt die Differenz der Polarisation des empfangenen Lichtes zur ursprünglichen Polarisation der Lichtquelle. Diese Differenz gilt als Maß für die Zugkraft, die auf die Glasfaser wirkt (Bild 1). Das autarke Stand-alone-Messsystem bietet eine noch robustere und präzisere Zugkraftmessung sowohl zur Validierung als auch zur schnellen Regelung dieses eminent wichtigen Parameters. Erreicht wird dies durch das innovative Messprinzip und die beachtliche Messrate von bis zu 10 kHz. Der Messbereich des Systems liegt bei bis zu 400 g und die Wiederholbarkeit beträgt ± 0,1 g.

Einsatz und Anwendungsbereiche des Systems

Der Messkopf kann sowohl vor als auch nach der Kühlstrecke der ungecoateten Faser eingesetzt werden. Der gemessene Wert ist unabhängig von Produktionseinflüssen wie der Position der Faser im Messfeld, der Produktionsgeschwindigkeit sowie der Vibration oder Schwingung der Faser. Folglich kann der Messkopf bei Bedarf ebenfalls für statische offline Messungen eingesetzt werden. Durch den Einsatz von Eichlingen kann beispielsweise die Kalibrierung des Systems leicht überprüft werden. Das System generiert verlässliche und stabile Messwerte und ermöglicht so eine unmittelbare Regelung der Zugkraft. Eine nachträgliche Installation in bereits bestehende Ziehtürme ist jederzeit möglich. Der Einsatz des beschriebenen Stand-alone-Messkopfes ist vor allem für Hersteller attraktiv, welche durch einen optimalen Produktionsprozess eine bestmögliche Qualität mit minimalem Ausschuss bei kleinstmöglichem Ressourceneinsatz erzielen wollen.

Visualisierung der Messdaten

Der Zugkraftmesskopf ist verfügbar mit allen gängigen Schnittstellen und industriellen Feldbussen, wie zum Beispiel Profinet IO, EtherNet/IP oder Profibus-DP, welche Daten je nach Kundenwunsch digital oder analog übertragen. Der Messkopf kann zudem mit einem ebenfalls erhältlichen Prozessorsystem verbunden werden, das weitere Schnittstellen wie OPC UA bietet und auf welchem die Produktionsdaten visualisiert werden. Eine Darstellung von Einzelmesswerten, zum Beispiel zur Analyse und Optimierung von Prozessvorgängen, ist ebenfalls möglich. Zudem können die Messwerte des Zugkraftmesskopfes mit den Werten von weiteren Messgeräten wie zum Beispiel Durchmessermesswerten im Prozessorsystem zusammengeführt werden. Durch die gemeinsame Auswertung, dem sogenannten Sensor Fusion, werden die Plausibilität und Aussagekraft der erhobenen Daten erhöht, sodass die Qualität der Messergebnisse weiter steigt.

Neben der Zugkraft visualisiert das ebenfalls erhältliche Prozessorsystem die Messwerte von weiteren SIKORA Messgeräten im Ziehturm.

Zusätzliche verfügbare Mess- und Regeltechnologien für eine umfassende Qualitätskontrolle

Neben dem beschriebenen Stand-alone-Gerät zur Zugkraftmessung bietet SIKORA Systeme zur Messung des Durchmessers und der Position der ungecoateten und gecoateten Faser an, welche ebenfalls die Zugkraft mittels Vibrationsmessverfahren ermitteln. Weitere Messköpfe messen und regeln in Kombination mit einem Prozessorsystem die Glasfasertemperatur an der heißen und kalten Position des Ziehprozesses. Messköpfe zur Erkennung von Airlines, zur Messung der Konzentrizität des Coatings und zur Erfassung von Knoten, Einschnürungen und Blasen auf der Oberfläche der gecoateten Faser runden SIKORAs Portfolio für die Qualitätskontrolle von Glasfasern ab.

Fazit

Um eine zukunftsfähige Infrastruktur aufzubauen, welche den Anforderungen und Bedürfnissen unserer zunehmend digitaler werdenden Gesellschaft genügt, ist die Qualität der eingesetzten Glasfasern und damit der Glasfaserkabel entscheidend. Die Messung und Regelung der Zugkraft im Ziehprozess wirkt sich hierbei direkt und maßgeblich auf die Produktqualität aus. Der von der SIKORA AG entwickelte Stand-alone-Messkopf nutzt eine Technologie, welche das Prinzip der Doppelbrechung mit einer beachtlichen Messrate von bis zu 10 kHz einsetzt. Dies ermöglicht eine noch schnellere und höchstpräzise Messung der Zugkraft unabhängig von äußeren Produktionseinflüssen sowie eine unmittelbare Regelung der Zugkraft. Erforderliche Spezifikationen werden eingehalten und die Güte der Faser sichergestellt. Somit trägt das System maßgeblich zu höchster und reproduzierbarer Qualität bei und schafft so die Voraussetzungen für eine effiziente und zukunftsgerichtete Fertigung.


[1] Becker, D., Ohne Glasfaser-Infrastruktur kein 5G-Mobilfunk, online verfügbar unter: https://blog.qsc.de/2019/05/ohne-glasfaser-infrastruktur-kein-5g-mobilfunk/ (Stand: 9.5.2019, zuletzt abgerufen am 22.6.2020)